Auf mein Mitwirken 1954 – 1955 als „Schlosser und Maschinenwärter“ bei Montage und Betrieb `unseres´ Ballastkohle-Kraftwerks in Ibbenbüren bin ich heute noch stolz!
Ballastkohle zum Klimaschutz
Man könnte dieses Dampfkraftwerk als einen Beitrag zum Klimaschutz werten, denn dadurch konnte die minderwertige Ballastkohle genutzt werden, die beim Zechenbetrieb mitgefördert bzw. ausgesondert wurde und reichlich anfiel. Man hätte sie sonst weiterhin nutzlos „auf Halde“ kippen müssen. Nun wurde sie genutzt und damit erhöhte sich der Gesamt-Wirkungsgrad der Kohlenzeche Ibbenbüren!
Übrigens: Ein ähnliches, aber nur etwa 1/2 so großes Ballastkohle-Kraftwerk wurde 1956 für die Schachtanlagen `Concordia´ in Oberhausen fertig gestellt und schon 1968 im Verlauf der Zechen-Schließung wieder stillgelegt. Aus dem damaligen Zechen-Kraftwerk wurde das heutige Kraftwerk Concordia der GMVA Oberhausen.
Ballastkohle meint Kohle mit einem hohen Anteil unbrennbarer Stoffe.
In Ibbenbüren betrug der Ballast-Anteil bis 40 %: Mitgeförderte Gesteinsschichten (`Mittelgut´), Sichter-Stäube, Teichschlämme und die darin enthaltene Feuchtigkeit (Wasser). Minderwertige Kohle also, die unverkäuflich war. Um sie dennoch zur Kohlenstaubfeuerung in einem Kraftwerk verwerten zu können, waren spezielle Anlagen für die richtige Mischung und Aufbereitung erforderlich. Und die neuartigen
Ballastkohle-Kessel mit Schmelzkammerfeuerung (Kessel 2 – 4) machten eine kontinuierliche Verbrennung des Gemisches überhaupt erst möglich. Die dabei andauernd anfallenden, großen Mengen feinkörniger Schlacke wurden verwertet, sie fanden dankbare Abnehmer beim Bau von Straßen und Flughäfen.
Maschinenhalle und Kesselhaus
Obwohl der Innenausbau der Maschinenhalle im damals (1954) gerade neu errichteten Ballastkohle-Kraftwerk der PREUSSAG in Ibbenbüren noch nicht fertig war, waren die beiden “kleinen” MAN-Turbosätze Maschine 1 und Maschine 2 mit je 21 MW (MegaWatt elektrische Leistung) schon in Betrieb. Sie wurden vordringlich gebraucht, weil sie die direkt benachbarte Steinkohlenzeche “Von-Oeynhausen-Schacht” der PREUSSAG mit Strom und mit Mitteldruck-Dampf versorgen mussten.
Den Frischdampf (Hochdruckdampf mit 520 Grad Celsius bei 80 bar) für die Turbinen der Maschinen 1 und 2 lieferten die `kleinen´ Kessel 2 und 3 im Kesselhaus des neuen Kraftwerks. Dort war der große Dampferzeuger Kessel 4 (Dampfleistung 200 t/h für die große, neue Turbine 3) auch schon fast fertig. Jetzt (1954) begannen die Montagearbeiten an dem großen Turbosatz Maschine 3. Dafür benötigte die PREUSSAG nun mehrere Schlosser und Elektriker zusätzlich! 😊
Die neue Maschine 3
`Unsere´ Maschine 3 war ein Turbosatz der (damals) neuen Generation mit der (damals) unerhört großen Nennleistung von 50 MW (= fünfzig tausend Kilowatt, max. 60 MVA).
Um diese Leistung zu erbringen, wurde der Turbogenerator erstmals für die Kühlung mit Wasserstoff-Gas (H2) ausgelegt.
Und so wurde die Maschine im AEG-Prospekt dargestellt:

AEG Turbosatz 50 MW
Die Kondensationsturbine und der angekuppelte Turbogenerator waren AEG-Maschinen, gebaut in der AEG-Turbinenfabrik in Berlin. Dies war kurzzeitig die größte und leistungsfähigste, neue Maschine Deutschlands und wir durften sie aufstellen und in Betrieb nehmen! [Als wir hörten, dass bei der AEG in Berlin schon ein Turbosatz mit doppelter Leistung fast fertig war, erschien uns das unvorstellbar: RWE hatte bei der AEG eine
100 MW-Maschine bestellt. Sie ging 1955 im Kraftwerk Weisweiler I (Block A) ans Netz.]
Die Montage
Der Transport der schweren und sperrigen Teile für `unsere´ Maschine erfolgte per Lastkahn auf dem Wasserweg von Berlin nach Ibbenbüren: Von Berlin (dem der Turbinenfabrik nahe gelegenen Westhafen) ging´s über die Havel und durch die DDR
zum Mittelland-Kanal und über den Dortmund-Ems-Kanal schließlich zum Kanalhafen Ibbenbüren. Von dort ging es per Tieflader bis ins Erdgeschoss der Maschinenhalle unseres neuen Kraftwerks.
2 x 3 Mann Montagepersonal der AEG, verstärkt durch 2 x 3 Facharbeiter von der PREUSSAG waren hier zweischichtig für die Endmontage der Turbine 3 und des angekuppelten Generators in der Maschinenhalle tätig. Es arbeiteten hier also in jeder Schicht auch 3 Mann von uns (von der PREUSSAG) für die AEG.

Wir an Turbine 3
Ich war einer davon, und das kam so:
Als ich nach der Lehrzeit im erlernten Elektronik-Beruf keine Stelle fand, erfuhr ich, dass die PREUSSAG für das neue Kraftwerk weitere Leute einstellt. Es hatte sich nämlich ergeben, dass der Betriebsleiter des neuen Kraftwerks, Herr M. unser direkter Nachbar in der Bahnhofstraße war. Und †Willy E.† – der gleichaltrige Spielgefährte und Kumpel aus eben diesem Nachbarhaus – arbeitete schon seit einem Jahr im neuen Kraftwerk.
Übrigens: Willys Vater Wilhelm E. war Schlosser im alten NIKE-Kraftwerk am Bahnhof Ibbenbüren. Und dass man in einem Kraftwerk mit der dort verfeuerten Kohle Dampf und daraus dann elektrischen Strom macht,
==> das wussten wir deshalb schon als Kinder!
Zuerst mussten wir alle die sichere und präzise Bedienung des ganz oben in der Maschinenhalle auf Schienen fahrenden Brückenkrans und die dazu erforderliche Zeichensprache erlernen. Am Kranhaken wurden die großen, bis zu 100 t schweren Teile und die vielen leichteren Teile durch die große Luke ins Obergeschoss der Maschinenhalle gehievt und dort auf Paletten bzw. auf Holzbalken abgelegt. Im Verlauf der Montagearbeiten musste der jeweilige Kranführer (ganz oben in der mitfahrenden Gondel) die vielen Bauteile zum Einpassen an der Baustelle oftmals und präzise hin und her versetzen. Nur die AEG-Monteure wussten (mit Hilfe ihrer Zeichnungen), welche Teile in welcher Reihenfolge zu Baugruppen wurden und wohin sie dann gehörten. Wir gingen ihnen dabei zur Hand, bis schließlich jede einzelne Baugruppe – nach Ausführung der noch nötigen Feinanpassungen – millimetergenau an Ort und Stelle gesetzt und endgültig festgeschraubt werden konnte.
Wie komplex solche Arbeiten sind, erkennt man an diesem Foto. Es zeigt, wie in der Montagehalle bei der probeweisen Montage eines großen Turbosatzes das Gehäuse-Oberteil des Niederdruckteils erstmals aufgesetzt wird. Das Foto entstand 1935 in der AEG-Turbinenfabrik. Die „Riesen-Dampfturbine“ (35 MW) ging dann in den Export nach Japan.
Unsere „Maschine 3“ ist fertig montiert!
Nach mehreren Monaten Bauzeit war nun auch `unsere´ große, neue „Maschine 3″ fertig montiert. Wir erlebten jetzt die spannenden Tage der vorsichtigen Inbetriebnahme bis zum ersten Volllast-Lauf. Es folgten die Abnahme-Prüfungen. Anschließend wurden wir zu Maschinisten ernannt und nun für unsere neue Maschine im Drei-Schicht-Betrieb eingesetzt.
Dazu wurden je Schicht zwei Maschinisten eingeteilt:
Einer war (im Obergeschoss der Maschinenhalle) für die Turbine zuständig,
der andere Maschinist (unten im Erdgeschoss) für
die Kondensation:
Der riesengroße wassergekühlte Kondensator mit den zugehörigen Pumpen (Kondensat-Pumpen, Kühlwasser-Pumpen, Vacuum-Pumpen) und ein Gewirr aus Leitungs-Rohren (Dampf, Kondensat, Kühlwasser) und die zugehörigen Armaturen (Mess-Instrumente)
beherrschten den Raum direkt unter der Turbine im Erdgeschoss der Maschinenhalle.
Betriebserfahrungen:
Beim Anfahren und beim Herunterfahren einer Dampfturbine (und nur dann!) hatten die Maschinisten alle Hände voll zu tun: Es mussten viele kleine und große Handräder von Schiebern und Ventilen an den Dampf- und Wasser-Rohren von Hand auf- und zugedreht werden, und zwar
è die richtigen Handräder in der richtigen Reihenfolge zum richtigen Zeitpunkt! ç
Und außerdem mussten wir (die Maschinisten) viele Messgeräte ablesen, diverse Pumpen ein- und ausschalten und alle diese Tätigkeiten auch protokollieren.
Vor seiner Abreise hatte der Obermonteur der AEG uns nochmals eindringlich darauf hingewiesen, dass jede Nicht- oder Falsch-Betätigung fatale Folgen haben konnte:
Denn dann bestand ==> !Gefahr! <== nicht nur für das Maschinen-Personal!
Aber solche Belehrungen erhielten natürlich alle neuen Maschinisten in allen Kraftwerken auf der Welt.
Die Unfälle in Harrisburg (Three Mile Island) und die Tschernobyl-Katastrophe geschahen trotzdem …
Heute, in den modernen Kraftwerken wird fast alles von Computern ferngesteuert
und jeder weiß es: ==> 😉 Computer können sich nicht irren, gell? 😉 <==
Heute betätigen Servomotoren die Armaturen
und die vielen Handräder müssen nur noch im Notfall
– bei Stromausfall – von Hand betätigt werden,
und in der Maschinenhalle wacht leider kein Maschinist mehr über `seine´ Maschine.
Wir, die Maschinisten waren „Bergleute über Tage“ und verdienten damals bei der PREUSSAG wirklich gutes Geld: Der Grundlohn betrug stolze 2 DM pro Stunde. Und mit den Zulagen (Schicht-Zulage, Nacht-Zuschlag und Sonntags-Zuschlag) kamen wir auf einen Monatsverdienst von etwa 500 bis 600 DM brutto. Dazu erhielten wir jährlich 60 Ztr. Hausbrand-Kohlen 😄und monatlich eine Schachtel Handwasch-Tabletten Pulia.
==> Nur die „Bergleute unter Tage“ hatten damals einen höheren Lohn!
Und ein kleines Glas Bier (0,2 l) kostete auch “nur” 0,50 DM.

Aber: Wenn alle drei Turbosätze in der Maschinenhalle liefen, dann war es dort fast unerträglich laut und heiß. Auch deshalb, und weil mir das eintönige Leben als Maschinist im Drei-Schicht-Betrieb (mit den vielen Sonn- und Feiertags-Schichten) auf Dauer nicht behagte, suchte ich mir dann bald einen anderen Job im erlernten Elektronik-Fach.
Doch dafür musste ich schließlich nach Süddeutschland `auswandern´!
Mein Kumpel Willy E.(†) hingegen machte eine Zusatz-Ausbildung zum Kraftwerks-Meister und arbeitete dann bis zu seiner Rente im PREUSSAG-Kraftwerk Ibbenbüren.
Um zu sehen, wie wir damals Strom aus Ballastkohle machten guckstu HIER:
„unser“ Kraftwerk. (Dort auf das erste Bild klicken und dann
weiter mit dem Pfeil > rechts neben dem Bild.)
Und guckstu HIER: http://www.youtube.com/watch?v=y3UAsLD8DOc
Am Anfang des Videos (nach ca. 30 Sekunden) sieht man den hier (ganz oben) genannten Turbosatz Maschine 1: Zuerst – rechts – der Generator, dann – links – die Turbine als (teilweise geöffnetes) Ausstellungsobjekt im Bergbaumuseum Ibbenbüren.
Und guckstu HIER: „100 Jahre Strom aus Ibbenbürener Kohle„,
ein hochinteressanter Aufsatz von Karl-Heinz Mönninghoff, mit vielen Fotos.
Ich danke Herrn Klaus Abel vom Bergbaumuseum Ibbenbüren
für das freundliche zur Verfügung stellen der historischen Fotos. ***********************************************************************************